550 Jahre Mainzer Psalter - Vortrag gehalten im Early Printing Museum Cheongju
Vortrag gehalten am 3. September 2007 im Early-Printing Museum Cheongju, Koreanische Republik
gekürzte Fassung
Mario Derra: Zum Mainzer Psalter von 1457
Kurz nachdem Johannes Gutenberg (1400 – 1468) in Mainz die Buchdruckerkunst erfolgreich entwickelte und mit dem Druck der Bibel, der wichtigsten Sammlung christlicher Überlieferungen, ein Meisterwerk vollendet hatte, das als Weltdokumentenerbe von der UNESCO aufgenommen wurde, erschien in Mainz ein weiteres bedeutendes Buch.
Vor etwa 550 Jahren wurde in Mainz dieses Druckwerk für den Gebrauch in der christlichen Messe fertig gestellt. Es war der Mainzer Psalter, eine Sammlung von Liedtexten und Gebeten. Daran war ein Mitarbeiter Gutenbergs beteiligt, Peter Schöffer (1425 – 1503), der in Gernsheim geboren wurde. Schöffer entwickelte sich später zu einem äußerst erfolgreichen Händler von gedruckten Büchern und prägte die Zeit des Frühdruckes in Europa durch die Herausgabe von über 250 Bücher und Drucksachen. Er entwickelte dazu eigene Lettern, die hohe Beachtung fanden. Schöffer entwickelte den Buchhandel weiter und veröffentlichte Anzeigen für den Vertrieb seiner Bücher. Aus Erinnerung an seine großen Verdienste hat die Schöfferstadt Gernsheim, wie sich unsere kleine Stadt am Rhein heute nennen darf, schon 1836 ein Denkmal errichten lassen. Über den Mainzer Psalter, eines der schönsten Bücher, das jemals eine Druckwerkstätte verließ, möchte ich Ihnen berichten:
Am 14. August 1457 erschien der Mainzer Psalter in der Werkstatt von Fust und Schöffer nach langer Vorbereitungszeit als Band mit 350 Seiten Umfang in der Seitengröße von etwa 29 x 39cm. Heute sind noch 10 Exemplare bekannt.
Alle wurden auf Pergament gedruckt. Das lässt den Schluss zu, dass die gesamte Auflage wohl in Pergament gedruckt wurde. Bei einer vermuteten Auflage von 50 Exemplaren wurden dafür die Häute von mehr als 2000 Kälbern benötigt.
Die noch bekannten zehn Bände befinden sich in Angers, Berlin, Darmstadt, Dresden, London, Manchester, Paris (zwei), Wien und Windsor. Otto Mazal unterscheidet 1969 im Kommentarband zum Faksimiledruck des Wiener Exemplars zwischen vollständigen Exemplaren mit 350 Seiten (175 Blatt) und kleineren Ausgaben mit 286 Seiten (143 Blatt). Die kleineren Ausgaben befinden sich in Darmstadt, London, Manchester, Paris und Windsor, die vollständigen demnach in Angers, Berlin, Dresden, Paris und Wien. Jedoch fehlen auch bei den sogenannten vollständigen Ausgaben oft Blätter. Durch diese exemplarspezifischen Kennzeichen sind die einzelnen Ausgaben zuordenbar. Das Wiener Exemplar ist noch ungebraucht und enthält sogar die Druckermarke Peter Schöffers, bzw. der Offizin Fust/Schöffer.
Die Provenienz, also Herkunft der einzelnen Ausgaben, lässt sich meist weit zurückverfolgen. Noch Mitte des 18.Jahrhunderts waren drei Exemplare in der Klosterkirche St. Victor in Mainz vorhanden. Zwei davon wurden über Umwege nach Paris verkauft.
Den handschriftlichen Charakter der Blätter 137 bis 172 des so genannten Darmstädter Exemplars erkannte bereits der Initiator des Gernsheimer Schöffer-Denkmals Konrad Dahl. Begeistert durch die Schönheit der Initialen, die schon Alexandro Würdtwein 1790 beschrieb, begann er den Stellenwert Schöffers in der Druckgeschichte zu beschreiben. Die Psalterien sind durch besonders große Anfangsbuchstaben, den so genannten zweifarbigen Psalterinitialen, bestehend aus der Initialplatte und den Initialverzierungen, geschmückt. Ein Psalterium übergab Dahl schon 1803, nach der Auflösung von St. Victor in Mainz, an die Darmstädter Hofbibliothek. F.W.E. Roth beschrieb das Werk 1886 ausführlich.
Das Berliner Exemplar wird als stark gebraucht beschrieben, beim Dresdener fehlen insgesamt 54 Blätter. In den Wirren des Krieges wurde der Psalter von einem amerikanischen Soldaten entwendet und Jahre später in den Vereinigten Staaten sichergestellt. Man brachte es zunächst nach Wiesbaden in ein amerikanisches Depot. Später wurde es der Landesbibliothek Wiesbaden übergeben, wo es dann Kurt-Hans Staub als Experte der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek, Darmstadt anhand der exemplarspezifischen Besonderheiten identifizierte. Im Zuge der Entspannungspolitik wurde dieser Psalter 1988/89 als „DDR-Archivalie“ nach Dresden zurückgegeben.
Neben den mehr oder weniger kompletten Psalterbänden sind auch einzelne Blätter in verschiedenen Bibliotheken erhalten.
1458 folgte der Canon Missae, der nur den Teil für die Messe enthielt, der in allen Kirchen eines Bischofsitzes gleich praktiziert wurde. Dieser Canon Missae war ähnlich reichhaltig ausgeschmückt und enthielt sogar einen Holzschnitt, hatte allerdings nur 24 Seiten Umfang.
1459, ein Jahr darauf folgte die zweite, textlich veränderte Variante des Psalters, als „Auftragsarbeit“ und nicht für den freien Markt geschaffen. Die gesamte Auflage wurde für eine Vereinigung von Klöstern der Benediktiner, die so genannte „Bursfelder Kongregation“, geschaffen. Da bei der Messe meistens drei Psalter auslagen und etwa 30 Klöster dieser Vereinigung angehörten, geht man von einer Auflage von 100 Exemplaren aus.
Diese ersten für die feierlichen Messen der Kirchen bestimmten Werke, gehören zu den größten Meisterwerke der Buchdruckerkunst. Sie zeichnen sich durch eine besonders aufwändige Gestaltung aus. Technisch und künstlerisch gehörten diese Werke neben der Gutenberg-Bibel B 42 zu den vollkommensten Drucken, die je in Europa erschienen sind. Die technischen Schwierigkeiten und der zeitraubende Umgang mit den Lettern erlaubten allerdings später keinen durchgängigen Dreifarbendruck bei den weiteren Verlagserzeugnissen. Die zweifarbigen Psalterinitialen fanden erst nach Gutenbergs Tod wieder Verwendung, später dann allerdings auch in vereinfachter Form, nur noch einfarbig.
Zur Vorgeschichte
Peter Schöffer wurde um 1425 in Gernsheim am Rhein, einer kleinen Stadt, etwa 35 km flussaufwärts von Mainz geboren. Mitte des 15.Jahrhundterts war Schöffer an der Universität Sorbonne in Paris eingeschrieben und betätigte sich dort als Kalligraph und als Schreiber von Texten. Sein Weg führte nach Mainz, wo er in dem Mainzer Bürger Johannes Fust vielleicht einen väterlichen Freund, oder zumindest einen Förderer seiner Kunstfertigkeit und Arbeitgeber fand. Schöffer war bald darauf Geselle in der Werkstatt Johannes Gutenbergs, dem Fust Kapital für seinen Bibeldruck geliehen hatte. Dort erwies er sich später als souveräner Meister der Buchdruckertechnik. Er kannte sich mit allen Aspekten der Buchherstellung aus.
Die neue Technik des Buchdruckes unterlag damals größter Geheimhaltung. So ist nur wenig aus der Zeit der ersten Buchdruckproduktionen überliefert. Gerichtsprozesse sind oftmals die einzigen Quellen.
Eine auf den 6. November 1455 datierte Gerichtsurkunde, gibt uns Auskunft über den Ausgang eines Prozesses, bei dem der beklagte Johannes Gutenberg, selbst nicht anwesend war. Johannes Fust hatte Gutenberg 1450 und 1452 jeweils 800 Gulden zum Bibeldruck geliehen, eine Summe die damals zum Erwerb mehrerer Bauernhöfe ausgereicht hätte. Gutenberg, der offensichtlich mit dem Zeitplan in Verzug geraten war, wurde von Fust zur Rückzahlung der Kreditsumme und der Zinsen aufgefordert.
Der Ausgang des Prozesses ist unbekannt. Ein Teil der Gutenberg-Werkstatt wurde Fust zugesprochen. Schöffer ging zu Fust über.
Weniger als zwei Jahre später, am 14. August 1457, erschien der Mainzer Psalter. Die Herstellungstechnik bezeichneten Johannes Fust und Peter Schöffer als Zeuge beim Prozess, in der Schlussschrift als: „die kunstvolle Erfindung des Druckens und Buchstabenbildens“. Der kurze Abstand zwischen der Verpfändung eines Großteiles der Gutenberg-Werkstatt an Fust und der Fertigstellung des Psalters ließ viele Fragen offen und nährte auch Spekulationen: Eine Hypothese besagt, dass sich Gutenberg die ersten 800 Gulden lieh, um zunächst den Psalter fertig zu stellen. Hatte Gutenberg mit einem Messbuch begonnen und dies wieder zugunsten des Druckes der 42zeiligen Bibel eingestellt? Was mögen die Gründe dafür gewesen sein? Die enormen technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung der Lettern für den Psalter, oder gar eine Veränderung der Messgewohnheiten in den Kirchen?
In der Gerichtsakte sind Fusts Widerrede und Gutenbergs Nachrede nicht schriftlich erhalten, wie wir aus dem Überleitungssatz zum Rechtsspruch erfahren. So fehlen uns wichtige Informationen über die damaligen Vorgänge.
Die Vielzahl der aufwändigen einzelnen Schritte bei der frühen Buchproduktion bedingten unweigerlich arbeitsteilige Produktionen! Von der Herstellung des Pergamentes und des Papiers, der Fertigung der Lettern, des Setzens der einzelnen Lettern zu Texten, der Korrektur, des Druckens, der Ausschmückung und des Bindens mussten auch in der Mitte des 15.Jahrhunderts zahlreiche gut geschulte Handwerker zeitlich und methodisch optimal zusammenarbeiten. Der überlieferten romantischen Vorstellung, des Erfinders, der alleine die Schrift und den Satz bewältigt, und dann noch selbst die Auflage an der Presse druckt, stehen umfangreiche Arbeitsschritte der damals neuen Technologie entgegen, die eine Bewältigung als Einzelleistung nicht erlaubten. Gutenberg als Werkstattleiter war sicherlich schon durch die Koordination der verschiedenen Handwerksleistungen zeitlich stark gefordert. So ist es durchaus denkbar, dass Peter Schöffer, als geschickter Schönschreiber, von Gutenberg, der in der Metalltechnik bewandert war, angeleitet wurde, die zweifarbigen Psalterinitialen zu schneiden.
Diese mit Ornament oder Rankwerk reich verzierten Anfangsbuchstaben waren vor dem 15. Jahrhundert bei der Buchmalerei schon europaweit verbreitet, also auch in Mainz bekannt. Zur Urheberschaft der gedruckten zweifarbigen Initiale bleiben noch viele Fragen offen! Auch Gutenberg wurde schon die Erstverwendung der zweifarbigen Initiale beim Druck seines astronomischen Kalenders zugesprochen.
Das Impressum
Zum ersten Mal in der noch ganz jungen Geschichte des Buchdruckes findet sich eine Quelle, die Drucker und Verleger nennt. Erstmals gaben Fust und Schöffer auch das genaue Datum der Fertigstellung an. Der aus der lateinischen Sprache übertragene Text lautet: „Gegenwärtiges Buch der Psalmen, durch die Schönheit der Hauptbuchstaben geschmückt und mit unterscheidenden Rubriken hinlänglich versehen, ist durch die kunstreiche Erfindung des Druckens und Buchstabenbildens, ohne irgend eine Schrift der Feder so ausgeführt und zur Verehrung Gottes mit Fleiß zu Stande gebracht worden durch Johann Fust, Bürger zu Mainz. Und Peter Schöffer aus Gernsheim im Jahre des Herrn 1457 am Vorabend des Maria Himmelfahrts-Tages.“ Dies war in diesem Jahr ein Sonntag. Da an diesem Sonntag gearbeitet wurde, muss für die Berechnung der Druckdauer des Psalters möglicherweise auch eine Siebentagewoche einkalkuliert werden. Zu bemerken wäre noch die lateinische Schreibweise des Psalters mit „SP“ am Anfang. War es die Verwendung der geläufigen Reihenfolge im lateinischen zugunsten der unüblichen „PS“, oder haben war es mit einem frühen Rechtschreibfehler zu tun?
Nur in einem einzigen der vorhandenen Exemplare des Mainzer Psalters finden wir eine weitere Besonderheit. Das erste bekannte Druckersignet, oder Markenzeichen, wie wir heute sagen würden. Dieses Signet erscheint erst wieder 1462 in der 48-zeiligen Bibel und kennzeichnet von da an die Druckwerke von Fust und Schöffer. Nachdem Fust ein Jahr nach Gutenberg verstorben war, wurde das Signet gemeinsam von Schöffer und dem neuen Partner Conrad Henekis verwandt. Kurz vor dem Tode Schöffers, erscheint im Jahre 1502 nochmals ein Psalter mit seinem Druckerzeichen. Dieser Druck wurde nur in Rot und schwarz ausgeführt.
Der Mainzer Psalter von 1457 oder das „Psalterium Moguntinum“ ist eigentlich ein Chorbrevier, und es wird auch Brevarium Moguntinum genannt, da es nicht ausschließlich Psalmen enthält. Diese sind nicht in der numerischen Reihenfolge der lateinischen Bibelübersetzung (Vulgata) geordnet, sondern durch die Abfolge in den Gottesdiensten (Offizien) der Diözesen bestimmt. Obwohl die meisten Seiten gedruckt wurden, gab es auch frei Stellen, in denen ganz individuell, durch handschriftliche Eintragungen auf die jeweilige Kirchengemeinde eingegangen wurde. Besonders die Gesänge wichen bei den Gemeinden ab, so dass beim Druck Stellen freigelassen wurden. Hier konnten bei Bedarf der Liedtext und die Noten eingesetzt werden, oder es verblieb ein freier Platz. Auch die gedruckten Texte waren durch Änderungen und entstandene Satzfehler beim Teilen und Zusammenfügen der verschiedenfarbigen Satzteile so unterschiedlich, dass kaum ein Exemplar dem anderen glich.
Neben den Psalmen enthielt das Gebetbuch (Brevier) noch liturgische Wechsel- und Einzelgesänge (Antiphone, Cantica und Responsorien), Lobgesänge (Hymnen), überleitende Verse (Versikel), und Gebete (Officien).
Die zweifarbigen Initialen und die Lettern des Mainzer Psalters
Für den Mainzer Psalter waren zwei Typengrade einer an die Textura angelehnten Schrift mit jeweils über 200 Lettern herzustellen. Da die Psalterien in den Kirchen ausgelegt, und in der Messe gesungen und abgelesen wurden, waren die Schriftgrade relativ groß. Die großen „Kegel“, wie man für die Letternhöhe sagt, waren 14,7mm, die kleinen 12mm. Die katholischen Messen wurden im 15.Jahrhundert noch ausschließlich in Latein gehalten, alle Texte des Psalters sind daher in dieser Sprache. Der Satz sollte besonders gefällig sein, an die Schreibkunst der spätmittelalterlichen Meister angelehnt, weshalb nicht nur die Groß- und Kleinbuchstaben des Alphabetes, sondern auch zusätzlich noch zahlreiche Kürzungen und Zusammenlegungen einzelner Buchstaben auf einer Druckform gefertigt wurden. Neben diesen meist in schwarz gedruckten Lettern, wurden für beide Typengrade zusammen nochmals über 50 Anfangsbuchstaben und Zeichen geschaffen, die einen abweichenden Schriftcharakter hatten und stets in rot gedruckt wurden.
Neben dieser Meisterleistung besticht der Psalter vor allem durch 288 in zwei Farben gedruckter Initialen, die teilweise mehrmals verwendet wurden. Dadurch wurde drucktechnisch die Arbeit der Buchmaler imitiert. Schon die erste Seite des Psalters zeigt ein prachtvolles B, das sich fast über die ganze Höhe der bedruckten Pergamentseite erstreckt. Dieser Initialbuchstabe wird auch „Beatus vir“ Initiale genannt, weil er den Anfang des 1. Psalms (Gebet, das auch in Liedform vorgetragen werden kann): „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetzt des HERRN und sinnt über seinen Tag und Nacht.“ Die „Beatus vir – Initialen“ sind als Buchmalerei mindesten seit karolingischer Zeit bekannt. Einige der so genannten „bewohnten Initialen“ zeigen Figuren oder Jagdszenen im reichlich verzierten Buchstaben.
Der von Schöffer zweifarbig ausgeführte Buchstabe ist ebenfalls reichhaltig verziert. Auch in der so genannten Initialplatte, die sich über sechs Zeilen erstreckt, wurden Gravuren angebracht. Sie zeigen einen Hund, der einen Vogel jagt und Pflanzen, angelehnt an die Buchmalereien längst vergangener Zeiten. Die Initialverzierung ist reichhaltig mit Ornament und Rankwerk versehen. Der Buchstabe misst 88 x 88mm, die Randleiste 327mm.
Etwas kleiner sind die Initialen C, D, E und S. Bei allen vier ist ebenfalls die Initialplatte verziert. Die Körper sind jeweils etwa 60 x 60mm groß und beanspruchen immerhin noch den Raum von 4 Zeilen.
In der dritten Größe der Initialen, etwa 30 x 30mm im Buchstabenkörper zuzüglich der Zierleiste, wurde fast ein komplettes Alphabet erstellt. Meist beanspruchten die nicht gravierten Initialplatten nur zwei Zeilen, ausnahmsweise auch drei. Das am Rand stehende Marginal I in einer Länge von 108mm war siebenzeilig! Wenige Initialen wurden nicht geschnitten und da sie im Repertoire fehlten, konnten sie natürlich auch nicht gedruckt werden. Manchmal fehlten jedoch auch Initialen, die sonst ausgedruckt wurden. Der Grund hierfür ist manchmal bei dem fehlenden Platz zu suchen, kann jedoch auch von der Verwendung der Initiale für eine andere Seite herrühren. Unter Umständen arbeitete man sogar mit mehreren Pressen.
Bild: Kleine Psalterinitiale aus dem Psalter von 1459 – Bildquelle: Gutenberg-Museum, Mainz.
Obwohl dreifarbig, wurde der komplette Druck in einem Durchgang ausgeführt. Dies führte zu einer außerordentlich präzisen Passgenauigkeit, die sonst kaum zu erreichen gewesen wäre! Dies war jedoch sehr aufwändig, da man vor jedem Abdruck die farbigen Teile aus dem geschlossenen Satz nehmen, und nach erfolgtem Einfärben mit dem Druckerballen neu zusammenschließen musste. Es gab nur wenige Ausnahmen, bei denen eine Seite zweifach die Presse durchlief, dies waren die Seiten bei denen diejenigen Initialen doppelt gebraucht wurden, aber offensichtlich nur einfach geschnitten waren. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Farben für die Initialplatte für die Initialzierden, rot und blau, im Wechsel gebraucht.
Heinrich Wallau (1879 – 1927) lieferte in der Gutenberg-Festschrift aus dem Jahre 1900 ein erstes Erklärungsmodell einer geteilten Form für die zweifarbige Initiale. Diese Teile konnten einzeln in verschiedenen Farben eingefärbt werden, um dann wieder in der Druckform zusammengefügt und in einem Vorgang gedruckt zu werden. Seither haben sich viele Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, wie diese Form ausgesehen haben könnte. Man hat sich auch eingehend damit beschäftigt ob die Initiale aus Holz oder aus Metall geschnitten wurde. Es wurden auch Modelle entworfen, nach denen die Urform aus Holz war, und im Sandgussverfahren in Bronze oder Schriftmetall aus Bleilegierung nachgebildet wurde. Es gab sogar Versuche eines italienischen Wissenschaftlers, die ganz von der Vorstellung des dreifarbigen Druckes abwichen und die Initialen durch nachträgliches Einstempeln erklären wollten.
Auch Gustav Mori (1872 - 1950), leitender Mitarbeiter einer Schriftgießerei in Frankfurt, hat sein Leben der Erforschung der Technik des Schriftgusses im 15. Jahrhundert gewidmet. Mehrfach hat er rekonstruiert, wie frühe Lettern möglicherweise hergestellt wurden. Auch Nachdrucke der großen Initiale B aus dem Mainzer Psalter von 1457 hat er 1919 schon initiiert und geprüft. Besonders erwähnenswert erscheint mir sein Versuch, den kompletten Psalter zur 500jährigen Wiederkehr der Erfindung der Buchdruckerkunst als Nachdruck neu zu verlegen. Sehr schnell merkte er, dass veranschlagte Zeit hierfür nicht ausreichte. Allein für den Druck mit zwei Pressen schätzte er einen Zeitbedarf auf neun Monate. Er wich deshalb auf den nur 24 Seiten starken Canon Missae aus und verwendete moderne Pressen um rechtzeitig fertig zu werden. Die zeitaufwändige Herstellung des Letternvorrates und des Druckes kann als Indiz gedeutet werden, dass mit dem Psalter schon in der Gutenberg-Werkstatt begonnen wurde. Seine Bibliothek und seine Sammlung mit allen Belegen seiner Forschung stiftete Mori dem Gutenberg-Museum.
Durch die Erklärungsmodelle verschiedener Wissenschaftler kam ich zur Annahme, dass die zweifarbigen Psalterinitialen aus Teilformen für die äußere und in der Mitte befindlichen Initialzierden und der Initialplatte bestanden haben müssen. Diese Teilformen wurden auf einem Fundament platziert, um die notwendige Höhe für den gemeinsamen Druck mit den restlichen Lettern zu erreichen. Diese Behauptung stütze ich zum einen auf die praktische Handhabung der kleinteiligen Formen, die es nur schwer möglich machten, ohne Fingerspuren Teile in die Mitte eines Druckstockes einzulegen. Bei einer vermuteten Auflage von 50 Exemplaren erfolgte dieser Prozess ohne Fehldrucke 14400 mal. Beobachtungen beim Psalter von 1459 zeigten, dass auch die Teile bei Beschädigung beliebig austauschbar waren, wie zum Beispiel die rechte Seite bei der kleinen Form der C-Initiale.
Es gäbe noch einiges zu berichten. Näher einzugehen wäre auch auf die Nachforschungen, wie sich die Arbeitsweise verschiedener Setzer des Psalters von 1457 in der Gestaltung der Seiten ausgewirkten.
Bild:: Der Mainzer Psalter von 1459 in der Gutenberg-Bibliothek – Bildquelle: Wolfgang Steen
Danken möchte an dieser Stelle dem Gutenberg-Museum in Mainz, das mich bei meinen Nachforschungen mit Rat und Tat unterstützt hat. Besonders dankbar bin ich darüber, dort Originale von Peter Schöffer einsehen zu dürfen.
Rede gehalten am 3. September 2007im Early-Printing Museum Cheongju, Koreanische Republik
Reiseeindrücke:
Auf Anregung von Mario Derra wurde 2011 das Wiener Exemplar des Mainzer Psalters von 1457 durch Dr. Constanze Mittendorfer erfolgreich zur Nominierung als Weltdokumentenerbe der UNESCO vorgeschlagen.